Kinderrechte 2023: sexualisierte Gewalt und mentale Gesundheit im Fokus

20.12.2022 | Blog

Beratende Person Ombudsstelle

Steigende Anfragen in der Ombudsstelle und die Anhörung der Bundesregierung vor dem UN-Kinderrechteausschuss haben für das KRF ganz eindeutig die aktuell dringendsten Bedarfe von Kindern und Jugendlichen gezeigt.

Dazu gehören sexualisierte Gewalt, vor der es nach wie vor unzureichenden Schutz gibt und mentale Gesundheit, die sich angesichts multipler Krisen bei der jungen Generation drastisch verschlechtert hat. Das alles wird begleitet von erschwerten finanziellen Rahmenbedingungen für Initiativen der Zivilgesellschaft, die sich für ebendiese Themen einzusetzen. Die Agenda des KRF für 2023 ist deshalb eindeutig. Und darum soll es konkret gehen:

Sexualisierte Gewalt: die Zeit zuhause zeigt ihre Spuren

Die Corona-Pandemie hat vieles verändert. Probleme der Chancenungleichheit haben viele Schulen und Eltern vor große Herausforderungen gestellt und ziehen nun Konsequenzen mit sich oder haben bestehende Probleme vergrößert. Auch im Bereich der sexualisierten und häuslichen Gewalt hat die Pandemie ihre Spuren hinterlassen. Neben den bekannten Zahlen zu sexuellem Kindermissbrauch gibt es ein großes Dunkelfeld. Sexueller Missbrauch wird am häufigsten zuhause durch eigene Angehörige erlebt, jedoch berichten Kinder und Jugendliche auch von sexueller Gewalt in Institutionen, insbesondere in Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Sportvereinen.¹

Unsere Arbeit mit Kindern und für Kinder ermöglicht es uns, die Bedarfe und Sorgen von Kindern einschätzen zu können. Im Rahmen des Kinder- und Jugendplans des Bundes sehen wir die Chance, langfristig und nachhaltig einen Beitrag zu leisten, das Thema Kinderschutz für Erwachsene durch Schulungen näher zu bringen und sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen durch nachhaltige Präventionsworkshops entgegenzuwirken. Kein anderes Thema erfordert mehr Unterstützung von Kindern und Jugendlichen auch innerhalb der Schule, um den wachsenden Bedarf an Hilfeleistungen und Aufklärung von jungen Menschen nachzukommen.

Folglich möchte das KRF im Jahr 2023 im Rahmen des Themenschwerpunktes verschiedene Workshops für und mit Kindern und Jugendlichen in Schulen stattfinden lassen, welche unter dem Themenschwerpunkt „Kinderschutz und sexualisierte Gewalt“ stattfinden sollen. Zudem möchten wir Schulungen für pädagogische Fachkräfte und Erwachsene anbieten, die sowohl digital als auch in Präsenz stattfinden sollen. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen in Workshops verschiedene Kernkompetenzen altersentsprechend zu vermitteln und gleichzeitig das persönliche Verständnis der Kinder für freie Meinungsäußerung, Stigmata, gewaltfreie Kommunikation, Akzeptanz und Förderung von Vielfalt zu stärken. Dem Aufleben von Irrtümern und fehlender Reflexion im Umgang mit sexueller Orientierung und sexueller Gewalt soll damit bewusst entgegengewirkt werden. Wir möchten dazu beitragen, über das Thema ganzheitlich aufzuklären und somit einen Raum für Austausch und Entwicklung schaffen – in welchem sich alle Teilnehmenden wohl fühlen. Dabei verfolgen wir einen partizipativen Ansatz.

Banner Wir geben Kindern eine Stimme

Recht auf mentale Gesundheit? Ja!

Psychische Probleme von Kindern und Jugendlichen wachsen stetig, aber auch die reine Abwesenheit psychischer Erkrankungen ist nicht gleich ein Ebenbild der psychischen Gesundheit.²

Die Corona-Pandemie hat die Jüngsten unserer Gesellschaft sowie ihre Familien in eine Ausnahmesituation versetzt. Die vulnerablen Gruppen sind noch gefährdeter als zuvor. Kinder haben ein Recht auf Gesundheit. Ihr allgemeines Gesundheitsverhalten hat sich jedoch seit dem Ausbruch der Pandemie verschlechtert. Fast jedes dritte Kind leidet laut der COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf unter psychischen Auffälligkeiten. Ängste und Sorgen haben zugenommen. Zudem wird vermutet, dass sich die Anzahl an Gewaltdelikten erhöht hat. Hinweisgeber*innen und Ansprechpersonen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen haben aufgrund der Schließungen von Schulen und Vereinen gefehlt. Aufgrund dessen und aufgrund von Kontaktverboten zu Freund*innen wurde auch ihr Recht auf Spiel, Freizeit und Erholung massiv eingeschränkt, das erneut mit psychischen Belastungen verbunden war. Kinder und Jugendliche haben allgemein ein Recht auf gute Lebensbedingungen. Diese konnten jedoch seit Beginn der Pandemie nicht ausreichend gewährleistet werden.

Ein wichtiger Schwerpunkt wird beibehalten

Bereits in diesem Jahr hat das KRF deshalb einen informativen Fokus auf mentale Gesundheit gelegt – beispielsweise im Rahmen der KRF Night oder der Kampagne „Such richtig“ für die digitale Hilfestelle „helpando“. Dies geht einher mit steigenden Anfragen in der Ombudsstelle zum Thema mentale Gesundheit. Besonders häufig meldeten sich Betroffene wegen Suizidgedanken (oft verbunden mit Panikattacken) und selbstverletzendem Verhalten.

Dieser Trend, den auch andere Hilfestellen verzeichnen, sowie aktuelle Studien, die ebenfalls vermehrt psychische Erkrankungen aufzeigen, veranlassen das KRF dazu, auch 2023 den Fokus auf das Thema mentale Gesundheit zu legen. Unter anderem soll vor allem das Projekt „ACT2GETHER“ dem Aufleben von Irrtümern, fehlender Reflexion im Umgang mit mentaler Gesundheit und psychischen Erkrankungen bewusst entgegenwirken.

Bei dem Projekt handelt es sich zunächst um ein Pilotprojekt, denn das Format für regionale Camps soll zunächst entwickelt und an vier Orten erprobt werden. Im Anschluss hieran ist auch eine flächendeckende bundesweite Durchführung denkbar. ACT2gether wird sowohl in Zusammenarbeit mit kooperierenden Partnern als auch mit Kindern und Jugendlichen zusammen entwickelt und umgesetzt. Durch die innovative Methode des generationsübergreifenden Lernens möchten das KRF außerhalb der schulischen Prävention dazu beitragen, das Thema ganzheitlich zu bearbeiten.

Erschwerte Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliche Akteure

In den letzten Wochen und Monaten wurde in unserem Netzwerk vor allem eine Entwicklung kontrovers diskutiert: die anstehenden Kürzungen des Kinder- und Jugendplans des Bundes. Viele Organisationen müssen und mussten Projekte aufgrund der Kürzungen einstellen. Hier handelt es sich auch um Projekte und Strukturen, welche durch Zuwendungen im Rahmen des Corona-Aufholpakets entstanden sind. Auch wenn Corona im Alltag angekommen ist, ist die Krise noch lange nicht vorbei. Ganz im Gegenteil – die Folgen für Kinder und Jugendliche sind tiefgreifend und werden uns noch einige Jahre begleiten. Dies melden nicht nur aktuelle Studien zurück, sondern auch aus unseren Fällen lässt sich evaluieren, dass der Bedarf nach Unterstützung in verschiedenen Bereichen steigt.

Trotzdem können verlässliche Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche, auf welche Behörden und andere Einrichtungen zurückgreifen, ohne die notwendige Unterstützung durch den Bund nicht weiterarbeiten. Noch fataler ist, dass Strukturen wegbrechen, auf welche Kinder und Jugendliche sich verlassen, welche sie kennen und regelmäßig aufsuchen. Für uns bedeutet dies auch, dass vielfältigen Formen von Initiativen und sozialen Bewegungen kein Raum gegeben wird.

Sowohl während zehrender Monate der Pandemie als auch vor wenigen Monaten mit den ersten Fluchtbewegungen aus der Ukraine hat das Zusammenwirken der vielen und schnellen Angebote und Hilfe der Zivilgesellschaft einen erheblichen Beitrag geleistet, Familien und Kindern für eine erste Orientierung und Langzeitbegleitung in Zeiten multipler Krisen beiseitezustehen.

Quellen

Sie wollen uns 2023 unterstützen?

Klar ist: Auf das KRF wartet ein arbeitsintensives Jahr mit spannenden neuen Projekten. Sollten Sie uns unterstützen wollen, schauen Sie doch einmal bei unseren Jobangeboten vorbei oder melden Sie sich bei uns für eine ehrenamtliche Tätigkeit! Alternativ können Sie uns auch mit einer kleinen Spende unter die Arme greifen. Vielen Dank für Ihre Hilfe!