Nach der Pandemie: Bundeskabinett stellt zwei Milliarden für die Förderung von Kinder- und Jugendlichen zur Verfügung

07.07.2021 | Blog

Zwei Kindern schreiben in ein Heft

Anfang Mai wurde vom Bundekabinett das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ mit einem Budget über zwei Milliarden Euro beschlossen. Ziel des Programmes ist es, junge Menschen, die durch die Pandemie erhebliche Einschränkungen und Beeinträchtigungen erfahren haben, durch verschiedene Kanäle zu fördern.


Das Programm besteht aus vier Säulen und soll vor allem sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche im Zeitraum zwischen 2021 und 2022 unterstützen. Themenschwerpunkte sind der Abbau von Lernrückständen, Maßnahmen zur Förderung der frühkindlichen Bildung, Unterstützung für Ferienfreizeiten und außerschulische Angebote und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen im Alltag und in der Schule. 

Was bedeutet das konkret? 

Das Budget wird aufgeteilt:  Eine Milliarde Euro soll in Schulen investiert werden, um Lernrückstände aufzuarbeiten – eine Milliarde in außerschulische Projekte und soziale Aufholprogramme. Dafür sollen bereits vorhandene Strukturen, wie Bundesprogramme und Nachhilfezentren genutzt werden. Es wird erwartet, dass die Länder die Ziele des Aktionsprogrammes zusätzlich mit eigenen Maßnahmen unterstützen.  

Begründet wurde diese Entscheidung mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie – vor allem auf sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. Laut ersten Zahlen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sollen bis zu einem Viertel aller Schüler*innen durch Änderungen ihres Schulalltags während der Pandemie Lernrückstände entwickelt haben. Die körperlichen und seelischen Belastungen, die die junge Generation in den letzten 18 Monaten erfahren hat, kommen noch hinzu. Wie wichtig Interaktion mit Anderen und Erfahrungen im Jugendalter sind, um eine normale soziale Entwicklung zu ermöglichen, wurde ebenfalls berücksichtigt. Deshalb wurden auch außerschulische Angebote in das Aktionsprogramm aufgenommen. 

Die erste Säule „Abbau Lernrückstände“ soll für das Aufholen von pandemiebedingten Lernrückständen genutzt werden. Konkret heißt das, dass Sommercamps und Lernwerkstätten sowohl für die Sommerferien, als auch für unterrichtsbegleitende Förderungsmaßnahmen nach den Ferien ausgebaut werden sollen. Dafür sollen Stiftungen, Vereinen, Volkshochschulen und kommerzielle Nachhilfeanbieter*innen zusammenarbeiten und bereits vorhandene Strukturen nutzen. 

Die zweite Säule „Förderung frühkindlicher Bildung“ richtet sich an Kinder, die noch nicht die Schule besuchen, jedoch während der Pandemie bereits Defizite in der Entwicklung erfahren mussten. Konkret werden Fördermittel für das Bundesprogramm „Sprach-Kitas” zur Verfügung gestellt. Damit sollen 1.000 neue Kitas in das bestehende Programm aufgenommen werden. Weitere Mittel werden zur Verfügung gestellt, um die Bundesstiftung „Frühe Hilfe” für belastete Familien aufzustocken. 

Die dritte Säule „Ferienfreizeiten und außerschulische Angebote“ soll vor allem helfen, das Aufholen verpassten sozialen Lernens während der Pandemie möglich zu machen. Hierzu werden Gelder für günstige Ferien- und Wochenfreizeiten, Jugendbegegnungen und Angebote zur Demokratiebildung bereitgestellt, gemeinnützige Familienferienstätten unterstützt und Programme wie das Programm „Kultur macht Spaß” oder die Deutsche Stiftung für Ehrenamt und Engagement gefördert. Um bedürftige Familien zu unterstützen, gibt es außerdem einen Kinderfreizeitbonus in den Jahren 2021 und 2022.  

Die vierte Säule „Aktion Zukunft“ zielt darauf ab Sozialkompetenzen von Jugendlichen zu stärken. Dafür bekommt die deutsche Kinder- und Jugendstiftung Fördermittel um mehr Mentor*innen in Schulen bereitzustellen. Weitere Gelder fließen in die Förderung des Bundesfreiwilligendienstes, FSJ und Sozialarbeiter*innen. 

Wie wird das Aktionsprogram von Expert*innen bewertet? 

Grundsätzlich wird das Aktionsprogramm von Expert*innen gelobt. Kritisch bewertet wird allerdings, dass Uneinigkeit darüber besteht, ob die Ansätze reichen, um Lernrückstände und fehlende soziale Entwicklung aufzuholen.  

Die Landeselterninitiative für Bildung sagt beispielsweise, dass der Ansatz des Aktionsprogrammes in die richtige Richtung gehe. Trotzdem weisen sie auf mögliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung hin, wie es beispielsweise beim Digitalpaket im letzten Jahr passiert sei. Damals führten Reibungsverluste in der Umsetzung zu Ineffizienz. Sie fordern, dass solche Fehler vermieden werden müssen.  

Um die Umsetzung effizienter und erfolgreicher zu machen, haben Expert*innen aus Wissenschaft, Bildungsverwaltung und Bildungspraxis der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Empfehlung abgegeben. Hier formulieren Sie ihre Meinung zu möglichen Maßnahmen, um Mittel fair zu verteilen, das Programm zu evaluieren und Fördermittel zu organisieren. 

Niels Espenhorst vom Paritätischen Gesamtverband und Michael Klundt von der Hochschule Magdeburg-Stendal bezweifeln, dass das Aktionsprogramm ausreiche. Es fehle eine nachhaltige Stärkung von Angeboten für Kindern und Jugendliche. Der 100 Euro-Zuschuss für einkommensschwache Familien sei nicht genug, um die Auswirkungen der Pandemie aufzuholen. Gerade im Hinblick auf die neun Milliarden Euro, die die Lufthansa als Hilfe während der Pandemie erhalten hat, wirkt das Aktionsprogramm fast lächerlich. Die Bildung und die Entwicklung der nächsten Generation haben scheinbar einen niedrigeren Stellenwert als die Rettung der Wirtschaft. 

Was sagen Kinder und Jugendliche dazu? 

Die Süddeutsche Zeitung gibt in ihrer Kolumne „Wir, Generation Corona“ Jugendlichen eine Plattform zur Meinungsäußerung. Hier wird das Aufholprogramm für seinen Fokus aufs Lernen kritisiert: „Wir brauchen kein Aufholprogram fürs Lernen. Wir brauchen ein Aufholprogramm fürs Leben.“ Durch die Pandemie hat auch die junge Generation massive Einschränkungen in ihrem Leben wahrnehmen müssen. Während der Unterricht durch Homeschooling weiterging, pausierte das Privatleben komplett. Gerade für Jugendliche waren diese Einschränkungen für ihre soziale Entwicklung hinderlich. Zwar wird durch die Förderung auch die Sozialentwicklung im Rahmen von Ferienprogrammen anerkannt, doch der größte Fokus liegt immer noch auf der Schule. Das kritisieren Kinder und Jugendliche und wünschen sich mehr Rücksichtnahme auf ihre Freizeit. 

Das KRF sieht das derzeitige Programm als nicht ausreichend an: Es fehlt die Förderung von sozial- und familienpädagogischen Maßnahmen. Die letzten anderthalb Jahre haben durch Homeschooling und Homeoffice, aber auch durch Existenzängste während der Pandemie, bereits angespannte Familiensituationen weiter verschärft. Beratungsstellen für Kinder und ihre Familien haben dadurch eine erhöhte Nachfrage und Bedeutung erlebt, wurden aber im aktuellen Aktionsprogramm nicht berücksichtigt. Die bereitgestellten zwei Milliarden Euro werden somit nicht genügen. Kinder und Jugendliche haben über anderthalb Jahre ihrer Jugend mit massiven Einschränkungen durchlitten. Es ist nun dringend erforderlich, auch eine erweiterte Förderung außerschulischer Maßnahmen zu ermöglichen!